Mit Geodaten räumliche Muster erkennen

Was sind Geodaten?

Norbert Hackner-Jaklin: Geodaten unterscheiden sich von anderen Daten durch einen wesentlichen Zusatz: Man kann sie im Raum positionieren. Das heißt, man kann die Frage stellen: Wo ist das? Ein Beispiel: Die chemische Formel von Wasser ist eine Information, aber ich kann nicht die Frage nach dem „Wo“ stellen. Handelt es sich bei dem Wasser jedoch um einen See, bin ich wieder beim „Wo“ und damit bei Geodaten.

Welche Rolle spielen Geodaten im Geomarketing?

Martin Ortner: Im Geomarketing unterstützen wir Unternehmen, ihre Daten im Raum, also auf einer digitalen Landkarte, darzustellen, damit sie einen Mehrwert dadurch generieren können. „Wo?“ ist dabei die zentrale Frage, zum Beispiel: Wohin verkaufen wir? Wo sind unsere Vertriebsmitarbeiterinnen und mitarbeiter? Wo können wir etwas optimieren? Mit dem Auge auf Karten ist es oft leichter, Strukturen und Zusammenhänge in den Daten zu erkennen als in Listen und Tabellen.

Welche Erkenntnisse können Unternehmen durch Geodaten konkret gewinnen?

Norbert Hackner-Jaklin: Es kann sein, dass ein Unternehmen in einem Jahr zehn Prozent seiner Kunden verliert. Um herauszufinden, woran das liegen kann, ist unter anderem die Frage „Wo haben wir die Kunden verloren?“ relevant. Es macht einen Unterschied, ob sich der Kundenverlust zum Beispiel über ganz Österreich gleich verteilt oder ausschließlich in einer spezifischen Region stattfindet. Aus dieser Erkenntnis, die nur durch Geodaten ermöglicht wird, kann das Unternehmen betriebswirtschaftliche Schlussfolgerungen ableiten.

Warum braucht man dafür Geodaten?

Norbert Hackner-Jaklin: Geodaten ermöglichen es, räumliche Muster, Strukturen und Zusammenhänge zu erkennen. Bleiben wir bei unserem Beispiel: Nehmen wir an, ein Unternehmen hat eine Datenbank mit sämtlichen Adressen der Kunden, die im letzten Jahr gekündigt haben. Anhand der Adressen bzw. Postleitzahlen lässt sich nicht bzw. nur schwer erkennen, ob es eine regionale Konzentration von Kündigungen gibt. So liegen beispielsweise die Postleitzahlen 1230 Wien und 2380 Perchtoldsdorf direkt nebeneinander. Diesen Zusammenhang erkennt man ohne konkrete Ortskenntnis niemals in einer Tabelle.

Welche Arten von Geodaten gibt es?

Martin Ortner: Geodaten sind alle Daten, die einen räumlichen Bezug haben und die sich auf der Karte darstellen lassen. Es kann sich um Punktinformationen handeln wie zum Beispiel eine Adresse oder einen Standort. Straßen, Autobahnen oder Flüsse sind Beispiele für lineare Geodaten. Und dann gibt es noch flächige Geodaten wie Kontinente, Länder, Bezirke, Städte, Gemeinden, Postleitzahlen und noch kleinere Einheiten. Der Mehrwert für Unternehmen entsteht, indem Geodaten mit zusätzlichen Informationen angereichert werden.

Wie und warum reichert man Geodaten mit anderen Informationen an?

Norbert Hackner-Jaklin: Je nach strategischer Frage- und Aufgabenstellung im Unternehmen kann man einen Raumbezug mit Attributen wie soziodemografischen Informationen anreichern, etwa mit der Anzahl der Einwohner, dem durchschnittlichen Einkommen oder dem Durchschnittsalter in dem Gebiet – das sind Beispiele für externe Daten. Es lassen sich auch unternehmensinterne Daten mit dem Raumbezug verknüpfen, zum Beispiel die Anzahl der Kunden pro Bezirk. Des Weiteren können Verkehrsdaten mit einer Geoinformation verknüpft werden, etwa, wie viele Fahrzeuge durch eine Straße fahren.

Woher kommen Geodaten?

Norbert Hackner-Jaklin: Geodaten kommen aus unterschiedlichsten Quellen. Es gibt interne und externe Geodaten. Interne Geodaten sind jene Daten, die Unternehmen selbst sammeln wie zum Beispiel Daten zu Leitungsnetzen oder Kundendaten. Externe Geodaten stammen von amtlichen Stellen wie etwa Vermessungsämtern oder Statistik-Instituten. Auch kommerzielle Datenanbieter wie TomTom oder Bing Maps liefern Geodaten – in dem Fall Straßen- und Verkehrsdaten. Ein dritter Bereich sind Crowdsourcing-Daten, also Projekte wie OpenStreetMaps (OSM).

Wie kommen Unternehmen zu externen Geodaten?

Norbert Hackner-Jaklin: Eine unserer Aufgaben bei WIGeoGIS ist es, unsere Kunden zu ihrer konkreten Fragestellung zu beraten und zu analysieren, welche Form von Geodaten ihnen bei der Beantwortung ihrer Fragestellung am besten hilft. Es gibt immer mehr Geodatensätze am Markt und auch die Attribut-Tiefe der Geodaten steigt, wodurch die Auswahl für unsere Kunden immer größer wird. Das ist einerseits gut, andererseits ist es wichtig, sich auf die für die eigene Fragestellung wesentlichen Datensätze zu konzentrieren.

Martin Ortner: Kunden können Originärdaten bzw. Rohdaten wie zum Beispiel die Verkehrsdaten von TomTom erwerben und sie in ihre eigene Software integrieren. Die meisten WIGeoGIS-Kunden nutzen Geodaten aber innerhalb unserer Geomarketing-Software. Dort werden ihnen die Geodaten direkt auf der digitalen Landkarte angezeigt und sie können automatische Reports zu ihren Fragen erstellen lassen. Wir unterstützen die Unternehmen dabei herauszufinden, welche Daten für ihre Fragestellung relevant sind und welche Geomarketing-Software, beispielsweise WIGeoStandort oder WIGeoWeb, passend ist.

Wie können Kunden in der Geomarketing-Software mit ihren internen Daten arbeiten?

Norbert Hackner-Jaklin: Wichtig ist, dass die Ausgangsdaten wie zum Beispiel Adressen mit Geokoordinaten versehen sind – nur dann kann ein Geoinformationssystem (GIS) damit etwas anfangen. Wenn Kunden also reine Adresslisten haben, die sie in die Geomarketing-Software integrieren wollen, müssen diese zunächst mit einer X- und einer Y-Koordinate versehen werden. Diesen Schritt können entweder wir durchführen oder die Kunden können ihn mit unserer Geocoder-Software JoinAddress auch ganz einfach selbst vornehmen.

Wird es teurer, je mehr Geodaten man braucht?

Martin Ortner: Das kann, aber muss nicht sein, denn der Preis hängt vom Lizenzmodell und den Datentypen ab. Es gibt lizenzpflichtige Daten oder auch Open Data, also frei verfügbare Daten.

Norbert Hackner-Jaklin: Tendenziell werden Geodaten teurer, je kleinräumiger, also granularer sie sind. Deshalb gilt es, eine Balance zu finden zwischen so kleinräumig wie möglich, aber auch so günstig wie möglich. Genauigkeit nur um der Genauigkeit willen bringt jedenfalls nichts.

Was müssen WIGeoGIS-Kunden, die meist keine Geomarketing-Experten sind, selbst machen und was kann WIGeoGIS für sie leisten?

Martin Ortner: Unsere Kunden müssen nichts von Geodaten verstehen. Unsere Aufgabe ist es, mit ihnen zu erarbeiten, welche Geodaten und welche Software für ihre konkrete Fragestellung bzw. zur Erreichung ihrer Ziele bestmöglich geeignet sind. Wir beraten aber auch immer wieder Kunden, die sich schon sehr gut auskennen und eigene GIS-Spezialisten haben, aber mit einer bestimmten Fragestellung nicht zurechtkommen.

Norbert Hackner-Jaklin: Entscheidend für den Erfolg des Projektes ist letztlich, dass der Kunde genau weiß, was konkret seine fachliche Fragestellung ist. Dabei können wir nicht helfen, weil wir keine Fachexperten für das jeweilige Unternehmen sind und weil die Zielsetzung oft eine strategische Entscheidung ist, die wir ihm nicht abnehmen können. Es muss also zum Beispiel klar sein, ob das Unternehmen expandieren oder sein Filialnetz restrukturieren möchte. Dann können wir mithilfe von Raumanalytik und Geodaten begleiten und entscheidungsunterstützende und transparente Informationen liefern. Es ist im Grunde wie ein Besuch beim Arzt: Da muss ich wissen, was mir wehtut, aber die Anamnese stellt der Arzt, und ich muss mich auch nicht selbst behandeln. Aber damit mir der Arzt bestmöglich helfen kann, sollte ich ihm möglichst genau sagen, wo der Schuh drückt.